„Ihr dürft alles sein“ – Ahmad Mansour über Integration und Identität
Expertenbesuch in Horstmar am 4. September
Dank der guten Kooperation mit der VHS und dem Kulturforum konnte die Schule am vergangen Mittwoch in Horstmar einen ganz besonderen Gast empfangen.
Ahmad Mansour, Psychologe und Autor, traf am Morgen exklusiv die gespannte Jahrgangsstufe 9. „Worüber will er denn was erzählen?“, hatte eine Schülerin noch zuvor gefragt, als die Klassen über die Veranstaltung informiert wurden. Ahmad Mansour hatte anhand seiner eigenen Biographie eine Menge zu erzählen – über Identität von Menschen mit Migrationshintergrund, über Demokratie und Extremismus und auch über Wege, wie man wieder herausfindet.
Das kam bei den Schülerinnen und Schülern gut an, besonders auch die wertschätzende Art, mit der er Fragen nach seinem Vortrag beantwortete und andere Meinungen gelten ließ. Berührungsängste kamen gar nicht erst auf, die angesprochenen Themen waren ganz offensichtlich solche, die die Schüler bewegen.
Auch in der Abendveranstaltung für die interessierte Öffentlichkeit brauchte Mansour keine Power Point Präsentation, kein Redemanuskript, nicht einmal Stichwortzettel. Gleich zu Beginn erklärte Mansour, dass das Thema tabubehaftet sei und eben diese Tabus eine angemessene Auseinandersetzung verhinderten.
Und er räumte mit einer einfachen Formel auf, die viele bei Integration im Kopf hätten: Integration = Sprache + Arbeit – Kriminalität.
Denn eigentliche Integration beinhalte ein gefühlsmäßiges Ankommen, die Akzeptanz von Werten und könne nur mit intensiver Bildung in Demokratie gelingen.
Im folgenden Teil seiner Rede, die er wiederum mit Beispielen aus seiner Arbeit oder seiner persönlichen Biographie wirkungsvoll unterstrich, verdeutlichte Mansour anhand von drei Themenfeldern, wo genau es mit der Akzeptanz von Werten hakt.
Das erste Problem sei der unterschiedliche Umgang mit Sexualität und Gleichberechtigung in patriarchalen Gesellschaften. Das zweite Problem sieht Mansour in den Vorstellungen von Erziehung, die vielfach Gewalt als legitimes Mittel vorsehe.
Spätestens seit dem Überfall der Hamas auf Israel und die nachfolgende kriegerische Auseinandersetzung sei außerdem klar geworden, dass Antisemitismus im Islam ein großes Problem sei, das sich auf andere Bevölkerungsgruppen ausgedehnt habe. Migranten verstünden nicht, dass die Demokratie hier in Deutschland untrennbar mit dem historischen Hintergrund verbunden sei. Insofern sei eine neue Erinnerungskultur, auch für deutsche Jugendliche, notwendig, die auf ein Zusammenleben in der Zukunft ausgerichtet sei und sich klar gegen Antisemitismus in den sozialen Medien positioniere.
Mansour stand dann erneut dem auch diesmal gebannt zuhörenden Publikum für Fragen zur Verfügung und erhielt zunächst einmal viel Zustimmung für seine offenen Worte. Die Fragen, zum Beispiel nach der Rücksichtnahme auf islamische Feiertage oder dem Tragen von Kopftüchern, beantwortete er umfassend und differenziert. Erneut wurde deutlich, dass es bei diesem Thema keine einfachen Antworten gibt.
Der Vortrag schloss mit einem Ausblick darauf, was an konkreten Maßnahmen benötigt werde, damit Integration von beiden Seiten aus gelingt. Dabei hob er auch insbesondere die Rollen von Schulen heraus.
Die Schulen seien als Integrationsorte wesentlich: für den Spracherwerb, für die Elternarbeit und zur Vermittlung von Medienkompetenz.
Abschließend lobt Mansour, dass bei den Schülern am Vormittag diese Fähigkeit zur Auseinandersetzung mit schwierigen Fragen und die Diskussion konträrer Meinungen deutlich vorhanden gewesen sei. Ein Hinweis darauf, dass dies am Arnoldinum bereits vermittelt und geübt werde, was nicht selbstverständlich sei.